Rede der innenpolitischen Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion Angelika Jahns zu TOP 5 „Gesetz zur institutionellen Stärkung und Weiterentwicklung des Zweckverbandes „Großraum Braunschweig“

– Es gilt das gesprochene Wort! –

Dieses Gesetz ist vom Entwurf her bis zur heutigen Beschlussfassung eine einzige Farce. Handwerklich schlecht gemacht, verfassungsrechtlich mehr als bedenklich, Kritik der kommunalen Spitzenverbände und vieler kommunaler Vertreter vor Ort wird nicht ernst genommen, die Forderung nach Rücknahme des Gesetzes wird von den einbringenden Fraktionen von SPD, Grünen und FDP ignoriert und schließlich wird dann ein Gesetz vorgelegt, das an Beliebigkeit nicht zu überbieten ist. Der Ursprungsentwurf wurde von den Landtagsjuristen zerrissen wegen Unbestimmtheit, Eingriff in die Planungs- und Aufgabenhoheiten der Kommunen sowie bereits vorhandener Zuständigkeiten bei Bund, Land oder Kommunen. Eine derartig scharfe Kritik des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes (GBD) habe ich in fast 20 Jahren Landtagszugehörigkeit noch nicht erlebt. Blamabel hoch drei. Eindeutig rechtswidrig!

Die Entschuldigung der Fraktionen von SPD, Grünen und FDP für die miserable Qualität des Gesetzes – man habe ja dieses Gesetz selbst einbringen müssen als Fraktionen ohne den Verwaltungsapparat der Landesregierung – ist einfach nur peinlich. Abgesehen davon, dass genügend Zeit gewesen wäre, diesen Entwurf entsprechend abzustimmen, hat man jetzt den Eindruck erweckt, dass das Innenministerium vielleicht gar nicht mit der Intention dieses Gesetzes einverstanden war und die Fraktionen im Regen stehen ließ.

Keine Aufgabenübertragung, alles nur schwammige Formulierungen, nichts Konkretes, nur zusätzlicher Aufwand und höhere Kosten für die Kommunen, die zum jetzigen Zweckverband Großraum Braunschweig (ZGB) gehören. Ich will sie an dieser Stelle auch mal nennen, damit sich auch die Zuhörer ein Bild machen können, welche Städte und Landkreise betroffen sind: die drei Großstädte Braunschweig, Salzgitter und Wolfsburg sowie die Landkreise Goslar, Helmstedt, Wolfenbüttel, Peine und Gifhorn.

Was also kommt auf diese Kommunen zu? Dass wir alle zu Beginn dieser Legislaturperiode gerade im Braunschweiger Bereich von erheblichen finanziellen Problemen Kenntnis nehmen mussten, ist bekannt. Insbesondere der Landkreis Helmstedt sah eine Verbesserung seiner Situation durch eine Fusion mit der Stadt Wolfsburg.

Obwohl beide Partner sich einig waren, grätschte der Innenminister dazwischen und verhinderte die Fusion mit der Aussage, die regionale Balance sei dann nicht mehr gewahrt. Andere Vorschläge für eine bessere Zusammenarbeit innerhalb der kommunalen Ebene im Bereich des ZGB wurden ebenfalls durch Eifersüchteleien verschiedener Beteiligter untergraben. Wir sind uns glaube ich alle darüber einig, dass eine Strukturverbesserung für diesen Bereich nötig ist. Deshalb hat die CDU den Antrag eingebracht, eine Enquetekommission einzurichten. Hiermit sollte ein Konzept für die Zukunftsfähigkeit dieses Raumes erarbeitet werden. Dieser Antrag wurde von Rot-Grün abgelehnt. Es wäre sinnvoll gewesen, durch dieses Instrument die Voraussetzungen für eine bessere kommunale Zusammenarbeit zu schaffen. Wir wollen alle die Wirtschaftskraft dieses Raumes stärken, wir wollen unsere Städte und Dörfer zukunftssicher machen! Man hätte auf viele positive Beispiele, die es bereits gibt, aufbauen können.

Der ZGB hatte bisher zwei zentrale Aufgaben: nämlich den öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) und die Landesraumplanung. Künftig wird der ZGB Regionalverband heißen und folgende Pflichtaufgaben wahrnehmen:

  1. verkehrsträgerübergreifende Verkehrsentwicklungsplanung
  2. Beratung der Kommunen bei der Planung, Erschließung und Vermarktung von Gewerbeflächen und Entwicklung von Konzepten zur Verbesserung des Gewerbeflächenangebots
  3. Bereitstellung, Analyse und Bewertung von Daten zur Strukturentwicklung
  4. Erarbeitung von Konzepten zur Koordinierung des Standort- und Bildungsangebots berufsbildender Schulen
  5. Erstellung von regionalen Tourismuskonzepten, Unterstützung von Kommunen und regionalen Vermarktungsorganisationen bei der touristischen Vermarktung sowie bei der regionalen Öffentlichkeitsarbeit, auch im Bereich Regionalmarketing
  6. Entwicklung von Konzepten zur Verbesserung des Hochwasserschutzes

Verkehrsentwicklungsplanung, Entwicklung von Konzepten, allein sieben Mal Entwicklung und Planung. Was glauben Sie eigentlich, meine Damen und Herren von SPD, Grünen und FDP, was die Kommunen und die übrigen Institutionen machen, die wir bereits haben? Zum Beispiel die Allianz für die Region – ist sie nicht auch gerade für die kommunalübergreifenden Themen zuständig? Wir haben die Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen-Wolfsburg. Auch hier soll die Vermarktung des gesamten Raumes verbessert und im Hinblick auf die anderen Metropolregionen gestärkt werden.

Die Wob-AG: Auch sie arbeitet übergreifend und zum Beispiel mit dem Landkreis Helmstedt in vielen touristischen Bereichen zusammen. Und gerade die betroffenen Städte und Landkreise ergänzen sich bereits in vielen Bereichen. Ich will einige Beispiele nennen: gemeindegebietsübergreifende Industrie- und Gewerbegebiete, Rettungsleitstellen, Standesämter, Bauhöfe, Schulangebote, Polizeiinspektionen und vieles mehr. Die vorherige Landesregierung hat durch das Gesetz zur interkommunalen Zusammenarbeit viele Voraussetzungen für derartige Gestaltungsmöglichkeiten geschaffen. Gerade im Bereich der Berufsbildenden Schulen wird hervorragend zusammengearbeitet, um Ausbildungsberufe mit einer entsprechenden Klassenstärke zu erhalten.

Was ist mit dem Landesbeauftragten für Regionalentwicklung, dem früheren Landrat von Helmstedt, Herr Wunderling-Weilbier? Auch hier wird doch Regionalentwicklung betrieben. Wozu um Himmelswillen dann noch eine weitere Behörde, die diese Aufgabe wahrnehmen soll?

Vor Kurzem habe ich die Umfrage von Herrn Bogumil zur Einschätzung der Arbeit und Anerkennung der Landesbeauftragten gelesen: übrigens ein sehr geteiltes Echo der Kommunen! Die Behörden der Landesbeauftragten werden zum Teil positiv beurteilt, als Partner für die Zusammenarbeit wird der
Landesbeauftragte von Weser-Ems besonders geschätzt. Der Braunschweiger Beauftragte wird dagegen weniger in dieser Funktion anerkannt. Bei dieser Umfrage fällt auf, mit wem die kommunalen Vertreter am besten zusammenarbeiten: Welche Landesbehörden für sie besonders wichtig sind, wer ihre hauptsächlichen Ansprech- und Kooperationspartner in der Regionalpolitik sind.

Hören Sie genau zu, das sind zum Beispiel die Landesbeauftragten, die Landkreise, die N-Bank, die Landesbehörde für Straßenbau. Fällt dabei etwas auf? Der ZGB ist für den Braunschweiger Bereich überhaupt nicht dabei. Schon merkwürdig, oder? Da stellt sich doch die Frage, wozu brauchen wir da noch mehr Planungs- und Konzeptangebote, die sowieso nicht zwingend sind, die überhaupt keine Rechtspflicht nach sich ziehen?

Jetzt, kurz vor Ende der Legislaturperiode, mit einem Gesetz zur Stärkung des Großraumverbandes Braunschweig zu kommen, ist mehr als scheinheilig. Denn jeder hier im Raum weiß, dass es in der nächsten Legislaturperiode zu Veränderungen der kommunalen Strukturen kommen muss, um auch den gleichwertigen Lebensstandard der Bevölkerung in diesem Bereich in Stadt und Land zu ermöglichen. Insbesondere das Leitbild für die kommunalen Größenvorgaben aus den 70 Jahren muss angepasst werden.

Selbst SPD Kommunalpolitiker wie der Oberbürgermeister Mädge aus Lüneburg haben sich bereits im Rahmen der Anhörung zu diesem Gesetz negativ geäußert: „Um ihren Einfluss im Land zu sichern, könnten dem Beispiel Braunschweigs weitere Regionen folgen. Das wären Strukturen, die niemand braucht.“ Der Peiner Landrat Einhaus (SPD) kritisiert das Gesetz als keinen großen Wurf und lehnt es ebenso ab wie Wolfsburgs Oberbürgermeister sowie die Landräte von Wolfenbüttel, Gifhorn und Helmstedt. Das gleiche gilt für die Bürgermeister von Wolfenbüttel und Helmstedt und den Oberbürgermeister von Goslar. Der Oberbürgermeister von Salzgitter sieht immer noch eine Klagemöglichkeit. Hierfür gibt es mehrere Gründe: Die notwendige Einstellung von zusätzlichem Personal führt zu höheren Umlagen der Kommunen. Was ist mit der Konnexität und der eventuell doch gesehene Eingriff in die kommunalen Planungs- beziehungsweise Aufgabenhoheiten? Der GBD hatte in seiner ersten Bewertung die Verfassungswidrigkeit deutlich gemacht.

Wie man sich da eine breite politische Akzeptanz einbilden kann, ist schon hanebüchen. Kommen wir noch zu dem wichtigen Punkt der Direktwahl, die jetzt vorgesehen ist. Insbesondere dieser Punkt wird von den kommunalen Vertretern vor Ort von SPD und CDU kritisiert. Auch wenn der GBD bei der Bewertung der Einführung der Direktwahl keine juristischen Bedenken mehr hat, stellt sich doch die Frage: Ist die Legitimation für eine Direktwahl gerechtfertigt? Reichen der Aufgabenumfang und insbesondere die Entscheidungsbefugnis für eine direkt gewählte Verbandsversammlung aus? Da gibt es doch erhebliche Zweifel. Darüber hinaus ist bei Meinungsverschiedenheiten zwischen mehreren Kommunen und dem ZGB überhaupt nicht geklärt, wie damit umgegangen werden soll. Wer bekommt Recht? Die direkt gewählten Vertreter in der Verbandsversammlung oder die direkt gewählten Vertreter der kommunalen Ebene? Denn der ZGB kann seine Dienste, wie ja auch der Kollege Heere von den Grünen gesagt hat, nur anbieten, er kann nichts durchsetzen. Deshalb stelle ich fest: Die kommunalen Vertreter wollen das Gesetz nicht, die kommunalen Spitzenverbände auch nicht, es gibt viele hervorragende Initiativen und Aktivitäten der vorhandenen Organisationen, die man bündeln und vernetzen kann. Deshalb ist unsere Forderung: Ziehen Sie dieses Gesetz zurück, es bringt nur Probleme in der tatsächlichen Wahrnehmung, zusätzliche Kosten, Bürokratie und hilft kein Stück weiter! Um es auf den Punkt zu bringen: So ein Gesetz nur für eine Namensänderung ist einfach zu schwach, Murks bleibt Murks!

veröffentlicht am 01.Mrz.2017